Flexible Nutzungsbedingungen – Ein Blick in die Glaskugel

In den späten 1970er-Jahren galt eine kleine Küche mit Durchreiche im Esszimmer als das Nonplusultra moderner Wohnkultur. Heute ist diese Vorstellung kaum noch attraktiv – offene Wohnküchen sind der neue Standard. Doch wer hätte damals diese Veränderung vorhersehen können? Architekten stehen oft vor der Herausforderung, Grundrisse zu entwerfen, die nicht nur im Hier und Jetzt verkauft werden können, sondern auch in der Zukunft bestehen müssen. Aber was genau sind Architekten eigentlich? Soziologen, Zukunftsforscher oder vielleicht sogar ein bisschen Wahrsager?

In gewisser Weise sind Planer von Wohn- und Lebensräumen von allem etwas. Sie müssen sich mit der Psychologie der Menschen auskennen, gesellschaftliche Trends verstehen und technologische Entwicklungen vorausahnen. Sie müssen die Welt um sich herum genau beobachten und auf Veränderungen reagieren. Was bewegt die Menschen heute und welche Entwicklungen könnte die Zukunft bringen? Architekten arbeiten oft intuitiv – sie müssen ein Gespür für kommende Trends entwickeln, die Gesellschaft verstehen und gleichzeitig die Nachhaltigkeit im Blick behalten.

Vergleichbar mit einem Dirigenten, der ein Musikstück interpretiert, entwerfen Planer eine Lebenswelt, die nicht nur der Gegenwart dient, sondern auch zukunftsfähig sein sollte. Wenn ihre Arbeit durchdacht ist, hat das Ergebnis Bestand – so wie es bei vielen architektonischen Meisterwerken der Fall ist, die die Zeit überdauert haben.

Der Wandel der Wohnträume – Früher unten, heute oben

Ein Beispiel für den gesellschaftlichen Wandel im Wohnbau sind Penthouse-Wohnungen. Heute sind sie begehrte Luxusobjekte und bieten weite Ausblicke über die Stadt – das Symbol des Erfolgs. Doch dieser Trend war nicht immer so. In der Zeit des Jugendstils (Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert) waren die Wohnungen unter dem Dach für das Gesinde vorgesehen: klein, heiß und mit wenigen Fenstern – man wollte sich gegen das Wetter abschirmen, nicht die Aussicht genießen. Damals stand die Funktionalität im Vordergrund. Und wer hätte sich schon freiwillig die vielen Treppen hochgekämpft?

Heute hat sich das Blatt gewendet. Die wohlhabendsten Menschen suchen gezielt nach Wohnraum in den obersten Stockwerken, um den besten Blick und größtmögliche Freiheit zu genießen. Diese Entwicklung ist ein Beispiel dafür, wie sich gesellschaftliche Werte und Wohnbedürfnisse entwickeln.

Nachhaltigkeit und Flexibilität – Die Bauweise der Zukunft

Ein weiterer wichtiger Trend, der die Architektur der Zukunft prägen wird, ist die Nachhaltigkeit. Baufinanzierer rechnen damit, dass künftige Generationen von Wohlhabenden vermehrt auf umweltfreundliche Bauweisen setzen werden. Doch was bedeutet Nachhaltigkeit eigentlich?

Die Nachkriegsbauten mit niedrigen Geschosshöhen in Deutschland sollten energieeffizient sein – und dennoch werden viele dieser Gebäude heute abgerissen, weil sie den aktuellen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden. Ein Beispiel dafür, dass Nachhaltigkeit mehr als nur Energieeffizienz ist.

Häuser aus der Zeit des Jugendstils sind dagegen noch heute begehrt. Sie überzeugen mit hohen Decken und schönen Räumen. Sie können dort ein Architekturbüro umsetzen, eine Arztpraxis eröffnen oder wunderschöne Wohnungen anbieten. Das ist eben auch nachhaltig.

Mein Tipp: Bleiben Sie flexibel. Bauherren sollten den größtmöglichen Nutzungsspielraum im Blick haben und flexible Nutzungskonzepte von Anfang an mitdenken – und da geht viel. Dann passt es auch noch, wenn sich die Ansprüche und Prioritäten wieder einmal ändern, weil Kinder aus dem Haus gehen, die Oma oder das Homeoffice ins Haus kommen oder die eigenen vier Wände an Menschen verkauft werden, die ganz andere Vorstellungen vom Lebensalltag haben.